Es war der 24. April 2004, als die Geschichte der Los Angeles Chargers in eine entscheidende Richtung gelenkt wurde.
Das NFL-Superteam das nie eines war
Beim NFL-Draft hatte die damals noch unter dem Namen San Diego Chargers bekannte Franchise den ersten Pick. Obwohl die Chargers Drew Brees hatten, entschieden sie sich für einen Quarterback. Die drei besten Spielmacher seinerzeit: Ben Roethlisberger, Eli Manning und Philip Rivers.
Manning galt damals als Nummer-1-Pick, verkündete aber bereits vorher, bei den Chargers nicht spielen zu wollen. Dennoch wurde er von ihnen ausgewählt und sorgte mit seiner finsteren Miene und dem Chargers-Trikot in der Hand für einen der merkwürdigsten Momente auf der Draft-Bühne.
Manning und Rivers wurden getradet
Was der Spielmacher damals nicht wusste, die Chargers hatten mit den New York Giants bereits einen Trade eingefädelt, der Manning nach New York und den an Nummer vier ausgewählten Philip Rivers mit mehreren Draft-Picks nach San Diego führen würde.
Nach 15 Jahren sitzt Manning aktuell bei den Giants nur noch auf der Bank, Ben Roehtlisberger musste die Saison für die Steelers nach einer Verletzung vorzeitig beenden. Philip Rivers steht nach wie vor als Starting Quarterback für die Chargers auf dem Feld, die Erfolge seiner Mitstreiter hat er trotz Überlegenheit in diversen Statistiken aber nie erreicht.
Manning gewann mit den Giants zweimal den Super Bowl – beide Male gegen die New England Patriots um Superstar Tom Brady. Auch Big Ben sicherte sich zwei Ringe, einen davon gleich in seinem zweiten Jahr.
Philip Rivers dagegen wartet, genau wie seine Franchise, immer noch auf den ersten Super-Bowl-Sieg.
Keine Titel für Rivers
Der 37-Jährige ist trotz seiner Titellosigkeit bei den Anhängern der Chargers überaus beliebt. Der neunfache Vater ist Franchise-Quarterback durch und durch und repräsentiert sein Team wie kaum ein anderer.
Kaum ein Team bot in den vergangenen Jahren so talentierte Kader auf: Rivers, die Receiver Keenan Allen und Mike Williams, Tight End Hunter Henry, vor ihm Antonio Gates, Quarterback-Jäger Joey Bosa, Melvin Ingram, Melvin Gordon und und und. Doch obwohl die Chargers dehalb stets als Geheimfavorit oder Titelkandidat galten, zum großen Erfolg, oder zumindest einer Super-Bowl-Teilnahme, reichte es nie.
Reihenweise wurden dem Team dabei unter anderem Verletzungen zum Verhängnis. Allen erlitt einen Kreuzband- und einen Nierenriss, Henry riss sich im Mai 2018 das Kreuzband, vor der laufenden Saison zog sich der so wichtige Safety Derwin James eine Stressfraktur im rechten Fuß zu – ein gewaltiger Dämpfer in Sachen Titelambitionen.
Auch der Streik von Gordon tat sein Übriges.
Chargers Mieter im Rams-Stadion
Zudem erschwerten diverse Kicker-Dramen die vergangenen Jahre. Alleine 2017 versuchten sich vier verschiedene Kicker, allesamt mit mäßigem Erfolg. Im Durchschnitt wurden nur 66 Prozent aller Field Goals verwandelt, die mit Abstand schlechteste Bilanz aller NFL-Teams. Bei der Quote der verwandelten Extrapunkte waren nur zwei der insgesamt 31 anderen Teams noch schlechter.
Im Football-begeisterten L.A. spielen die Chargers zudem nur die zweite Geige. Die meisten Fans drücken Lokalrivale Los Angeles Rams die Daumen, und auch in Sachen Stadion ist die Situation für das Team von Trainer Anthony Lynn suboptimal.
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Weil Chargers-Besitzer Dean Spanos keine öffentlichen Gelder für den Bau eines neuen Stadion akquirieren konnte, zieht das Team im kommenden Jahr in das neu gebaute Stadion der Rams ein – als Mieter. Von einer Heimspielstätte kann also nicht nur aufgrund der geringen Fanbasis keine Rede sein. Schon in San Diego klappte ein Stadionneubau nie - dort teilte man die altertümliche Arena mit dem dem Baseballteam aus der MLB.
Wohl auch deshalb gab es zuletzt Gerüchte, die Franchise könnte ihren Sitz nach London verlegen.
Playoff-Hoffnungen nur noch gering
Das US-Portal The Athletic hatte berichtet, dass die Chargers einer Idee der NFL-Verantwortlichen über einen Umzug in die britische Hauptstadt offen gegenüberstünden. Demnach soll die Liga befürchten, dass das geringe Interesse an den Chargers in Los Angeles langfristig der NFL schaden könnte.
"Wir werden nirgendwo hingehen. Wir spielen in Los Angeles. Das ist unser Zuhause, und hier wollen wir lange Zeit sein. Punkt“, hatte Besitzer Spanos die Spekulationen aber bereits in das Reich der Fabeln verwiesen. Völlig aus der Luft entsteht ein solches Gerücht aber nicht.
Die Chargers verfügen rein nominell über einen starken Kader, die Offensive ist glänzend ausgestattet, auch der Pass Rush ist ansehnlich. Dennoch stehen in dieser Saison sechs Niederlagen bei nur vier Siegen zu Buche. Zuletzt setzte es am Donnerstag gegen die Raiders eine unerwartete 24:26-Pleite. Quarterback Rivers warf dabei mehr Interceptions (3) als Touchdown-Pässe (2). Die Hoffnungen auf die Playoffs sind nur noch theoretischer Natur.
Besten Jahre von Rivers vorbei?
Auch wenn Tom Brady und Drew Brees gezeigt haben, dass man auch jenseits der 40 noch ein herausragender Quarterback sein kann, entsteht bei den Chargers immer mehr der Eindruck, dass die goldenen Jahre von Philip Rivers ohne Titelgewinn vorbeigezogen sind.
Ein möglicher Nachfolger ist derzeit nicht in Sicht. Wohl aber gibt es Gerüchte um ein mögliches Engagement von Tom Brady. Der Vertrag des Patriots-Superstars läuft aus, eine Verlängerung gilt als unwahrscheinlich, auch weil der Spielmacher bereits dabei ist, seinen langjährigen Wohnsitz in New England zu verkaufen.
Im SPORT1-Interview nannte Bradys Ex-Teamkollege Sebastian Vollmer kürzlich neben den Titans auch die Chargers als mögliche Brady-Anlaufstelle.
Brady vielleicht zu den Chargers
Der Superstar benötige ein Team, "das eigentlich schon reif für den Super Bowl ist, dem aber noch ein Quarterback fehlt. Das sind eben so Teams wie Tennessee oder die Chargers."
Für diese wäre eine Verpflichtung des sechsmaligen Super-Bowl-Siegers ein Glücksfall. "Brady ist so eine Größe, dass die Fans mit Brady zu der neuen Franchise wechseln würden", ist sich Vollmer sicher.
Neben einem Super-Bowl-Sieg ist eine stärkere Fanbasis wohl eines der größten Bedürfnisse in L.A. Brady wäre somit gleich doppelt ein Coup für das NFL-Spitzenteam, das es nie gab.